Sophia, Marco und Jonas machten mit der Staatlichen Berufsschule 1 in Kempten einen Schüleraustausch in Kenitra, Marokko. An der Berufsschule IFTek bauten die deutschen und marokkanischen Schüler gemeinsam ein kleines Photovoltaik-System, das dort im Unterricht eingesetzt werden kann. Hier erzählen die Metallbauerin und die beiden angehenden Elektroniker für Energie und Gebäudetechnik, was sie von ihrem Auslandsaufenthalt mitnehmen.
Wieso habt ihr euch entschieden, an dem Austausch mit Marokko teilzunehmen?
Sophia: Vor zwei Jahren waren die marokkanischen Schüler bei uns in Kempten zu Besuch. Als unser Lehrer damals die Klasse fragte, wer Lust hat, an dem Schüleraustausch teilzunehmen, dachte ich mir, warum nicht. So kann ich neue Menschen und eine andere Kultur kennenlernen. Als es dann dieses Jahr hieß, wir fliegen nach Marokko, war ich mit dabei. Denn diejenigen, die bei der Begegnung in Deutschland geholfen hatten, hatten gute Chancen, mitkommen zu dürfen.
Marco: Ich war am Anfang etwas misstrauisch. Doch dann hat mein Klassenkamerad Louis gesagt, dass er mitfährt. Das hat mich motiviert, auch mitzumachen. Ich bereue das in keiner Weise. Ich habe bei dem Austausch neue Freunde in Marokko, aber auch unsere Gruppe aus Deutschland kennengelernt. Wir sind aus unterschiedlichen Klassen und kannten uns vorher nicht. Die Zusammenarbeit hat einfach super funktioniert.
Jonas: Anfangs war ich ein bisschen unsicher, ob ich jetzt wirklich nach Afrika soll. Das ist schon ziemlich weit weg. Ich wusste nicht, ob ich mich auf einem anderen Kontinent zurechtfinde. Mein Antrieb war dann vor allem, im Berufsleben weiterzukommen. Denn der Schüleraustausch bringt mir verdammt viel. Ich sammle Berufserfahrung, lerne andere Arbeitsweisen und eine ganz andere Kultur kennen. All das kann man auch daheim nutzen.
Wie habt ihr euch auf euren Aufenthalt vorbereitet?
Marco: Wir haben vor der Abreise einen dreistündigen Arabisch-Sprachkurs gemacht. Eine Sozialpädagogin von der Schule, die aus dem Sudan kommt, hat ihn durchgeführt. Zusätzlich haben uns zwei marokkanische Schüler ein bisschen was über Land, Leute und Gepflogenheiten erzählt. Außerdem habe ich im Vorfeld Kontakt zu ein paar Schülern in Marokko aufgenommen, die ich vom Besuch kannte. Ich wollte hören, wie da unten so die Stimmung ist, ob sie sich auf uns freuen oder nicht und wie das Wetter ist, damit man die richtigen Klamotten einpackt. Zudem habe ich mir angeschaut, was es in Kenitra so gibt und wo unser Hotel und die Schule genau liegen.
Jonas: Ich war auch ständig mit den Marokkanern über WhatsApp in Kontakt. Wir haben uns viel darüber unterhalten, was genau geplant ist. Wir schreiben fast immer noch täglich.
Sophia: Ich konnte leider nicht an dem Sprachkurs teilnehmen, weil ich da arbeiten musste, aber hab dann ein Blatt mit den wichtigsten Arabisch-Vokabeln bekommen. Wir konnten uns vor Ort aber gut auf Englisch verständigen, Deutsch ging ebenfalls überraschend gut. Die meisten der marokkanischen Schüler vom IFTek lernen Deutsch und haben schon ein hohes Niveau.
Wir acht von der Berufsschule in Kempten und die marokkanischen Schüler haben einfach perfekt zusammengearbeitet.
Was war euer Highlight während des Austauschs?
Jonas: Mein Highlight war die Teamarbeit unserer beiden Gruppen beim Bau des kleinen Photovoltaik-Schulungssystems. Wir acht von der Berufsschule in Kempten und die marokkanischen Schüler haben einfach perfekt zusammengearbeitet. Wir hatten nie genügend Werkzeuge. Aber wir haben uns dann einfach abgewechselt und uns gegenseitig geholfen. Einer hat zum Beispiel die Kabel isoliert, ein anderer hat sie angelötet, damit es schneller geht. Wir wollten mit dem Projekt natürlich in den zwei Wochen fertig werden – und das haben wir auch geschafft! Dabei ist eine richtige Freundschaft zwischen uns gewachsen und ich glaube, die wird auch weitergehen.
Marco: Ich fand‘s auch echt cool, als wir bei Amine zum Couscous Essen eingeladen waren. Die Gastfreundschaft und das Vertrauen haben mich echt überrascht. Es ist ja nicht selbstverständlich, dass eine Familie sagt, ihr elf Deutsche könnt zu uns kommen. Wir durften selbständig das Haus anschauen und in jeden Wohnraum rein. Das wird ein Tourist niemals erleben!
Sophia: Auch Hanon hat uns zum Essen bei sich zu Hause eingeladen. Anschließend haben wir ein Klatschspiel gespielt, dass uns die Marokkaner beigebracht haben. Da saßen wir einfach in einem U, deutsche und marokkanischen Schüler gemischt, und haben gemeinsam gespielt. Das war so cool.
Was hat euch in Marokko überrascht?
Sophia: Der Verkehr. Also die Leute fahren da unten echt wild. Tagsüber ist es noch voll okay die Straßenseite zu wechseln, da ist nicht so viel los. Aber nachts ist es dann schon sehr gefährlich. Die Autos bleiben direkt vor einem stehen.
Marco: Was ich auch krass fand, waren die Gegensätze. Ein Mann in unserem Hotel, er war etwa Mitte 20, hatte einen fetten Audi, ein Quad und noch was. Eine halbe Stunde außerhalb der Stadt waren die Leute mit Esel oder Pferd unterwegs. Es gab nur Schrottkarren oder richtig schicke Autos. Dazwischen gab es nichts.
Wie hat sich euer Blick auf Marokko geändert?
Jonas: Ich habe mein Bild von Afrika erweitert. Wenn man keine Ahnung hat, dann denkt man bei Afrika an Wüste ohne Wasser. Doch als wir den Botanischen Garten angeschaut haben, war ich begeistert. Da gab es so viele verschiedene Pflanzen und Tiere. Und überall gab es Orangenbäume.
Sophia: Auch der Technologie-Standard war hoch. Man hatte wirklich überall WLAN und auch mitten in der Pampa Netz. Das war viel besser als in Deutschland.
Ich habe mir vorgenommen, jetzt einfach die Gelassenheit aus Marokko zu übernehmen.
Was habt ihr vom Austausch mitgenommen?
Sophia: Ich bin jetzt viel entspannter. Ich bin zu Hause angekommen und alles hat mich gestresst, weil alle so viel Stress verursacht haben. Stress um nichts. Da habe ich mir vorgenommen, jetzt einfach die Gelassenheit aus Marokko zu übernehmen. Es ist so viel angenehmer, wenn man gelassen an Sachen rangeht.
Marco: Bei mir hat es geändert, dass ich versuche, weniger Vorurteile zu haben. Wenn man noch nicht weiß, wie es wo ist, dann soll man sich keinen Kopf darüber machen. Stattdessen kann man einfach hinfahren, sich anschauen, wie es ist und dann darüber entscheiden.
Jonas: Mir hat es den Mut gegeben, auch in andere Länder zu reisen. Ich habe schon seit Jahren den Wunsch, Auslandserfahrungen zu sammeln, um Neues für meinen Beruf zu lernen. Kanada für einen Work & Travel-Aufenthalt fände ich zum Beispiel toll.
Was ratet ihr Anderen, die einen Austausch machen wollen?
Marco: Wenn du die Chance hast, dann mach es. Als Tourist kratzt man nur an der obersten Schicht. Du wirst nicht bei jemandem daheim zum Essen eingeladen, kannst dir keine Schule anschauen, bekommst keine Führung in einer Firma. Die Schulleitung der IFTek hat dafür gesorgt, dass wir echt viel davon sehen konnten, wie Marokko wirklich ist. Wie man dort lebt und wie man arbeitet. Sowas macht man nur einmal im Leben. Ich bin aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Deswegen bin ich froh, dass ich den Austausch gemacht habe, um diese Erfahrung mitzunehmen.