Portrait von Zeynep, die an einem Schüleraustausch in die USA teilnahm
„Ich wusste nicht, dass es solche kurzen Austauschprogramme gibt“
Zeynep
16
USA
Schülerin

Zeynep (16) erlebte die US-Wahl 2024 hautnah, besuchte ein NBA-Spiel und feierte zum ersten Mal Halloween. Ihr zehntägiger Schüleraustausch nach Atlanta in den USA wurde somit zu einer unvergesslichen Reise voller Überraschungen. Im Interview berichtet die Schülerin des Martin-Behaim-Gymnasiums Nürnberg von ihren Erlebnissen und davon, was sie persönlich aus dieser Zeit mitgenommen hat. 

Wie bist du dazu gekommen, an dem Schüleraustausch in die USA teilzunehmen? 

Das war Zufall. Ich erfuhr von einer Mitschülerin, dass es einen USA-Austausch meiner Schule gibt und dass ich eingeladen bin. Von 25 empfohlenen Schülern wurden am Ende zehn ausgelost – ich war glücklicherweise dabei. Man wählte mich aus, weil ich im Schulparlament aktiv war. Ich hatte vorher nicht nach einem Austausch gesucht, aber als es plötzlich hieß: „Wir fahren nach Amerika“, bin ich mitgekommen. 

Hattest du vorher schon Interesse an einem Austausch? 

Ich dachte immer, solche Austausche dauern sechs Monate oder ein Jahr. Da Deutsch meine zweite Sprache ist, befürchtete ich, sie zu verlernen. Aber ein kurzer Austausch von zehn Tagen war perfekt. Ich wusste nicht, dass es solche kurzen Austauschprogramme gibt. Das könnte ich mir definitiv noch einmal vorstellen. 

Hatte euer Austausch einen bestimmten Schwerpunkt? 

Ja, es war eine Begegnungsreise nach Atlanta anlässlich der Präsidentschaftswahlen. Wir waren genau zu dem Zeitpunkt dort, als die Amerikaner wählten und konnten die Wahlen live miterleben. Wir haben die Wahlplakate in den Gärten gesehen und erlebt, wie die amerikanischen Schüler die Wahl wahrnahmen. 

„Ich habe gesehen, wie vielfältig dieses Land ist.“

Wie hast du die USA wahrgenommen? Haben sich deine Erwartungen erfüllt oder gab es Überraschungen? 

Ich habe gesehen, wie vielfältig dieses Land ist. Wir waren in einer hauptsächlich von People of Color bewohnten Community. Hier war die politische Tendenz eher gegen Trump, aber ich habe auch in einigen Vierteln Trump-Schilder gesehen.

Der Verkehr war ebenfalls intensiver als erwartet. Wir fuhren jeden Morgen 40 Minuten mit dem Auto zur Schule! Aber die Freundlichkeit der Menschen und die Small Talks fand ich sehr angenehm. Es war außerdem interessant, das Bildungssystem kennenzulernen

Wo wart ihr untergebracht?

Die meisten lebten in Gastfamilien, einige auch bei Lehrern. Ich war mit drei anderen Mädchen in einer Familie. Das bedeutete: Vier Mädchen und nur ein Badezimmer! Das war manchmal etwas herausfordernd. Es hat aber irgendwie funktioniert. 

Ihr habt die letzten Tage des Wahlkampfs hautnah miterlebt. Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben? 

Am Wahltag führten wir eine Umfrage dazu durch, wen die Menschen wählen werden. Die Ergebnisse fielen für unseren Befragungsort, in dem überwiegend schwarze Menschen leben, eindeutig aus: Die meisten Befragten wollten Kamala Harris wählen. Manche waren aber auch misstrauisch und dachten, wir würden Propaganda machen oder seien Betrüger.

Was waren die Highlights deiner Reise?

Das „National Center For Civil And Human Rights“ hat mich sehr beeindruckt. Es gab eine Simulation, bei der man auf einem Stuhl saß und durch Kopfhörer hörte, was die schwarzen Bürgerrechtler bei ihren stillen Sit-ins in den 1960er Jahren erleben mussten. Es waren vor allem Beleidigungen und Gewalt. Mein Stuhl bewegte sich, wenn in der Aufnahme jemand getreten wurde. Diese zwei Minuten waren kaum auszuhalten. Es ist unglaublich, dass die Aktivisten das damals täglich durchgemacht haben.

Zudem waren wir im größten Aquarium der Welt mit einer tollen Delfin-Show und haben ein NBA-Spiel (Anm.: Basketball-Spiel der US-amerikanischen Profiliga) besucht. Das war richtig cool.

„Das lag weit außerhalb meiner Komfortzone!“

Welche persönlichen Herausforderungen musstest du meistern?

Als Muslima machte ich mir Sorgen, wo ich fünfmal am Tag beten könnte. Doch die Lehrerin der Partnerschule organisierte mir extra einen Raum dafür. Das fand ich sehr nett. Zu Beginn war ich auch etwas unsicher im Umgang mit der Gastfamilie, aber das legte sich schnell. 

Hast du trotz der kurzen Zeit etwas für dich persönlich mitgenommen?

Definitiv! Vor allem das Sprechen auf Englisch vor Publikum war eine große Herausforderung. Das fällt mir nun viel leichter. Außerdem bin ich normalerweise nie spät am Abend unterwegs, aber in den USA war ich an Halloween - verkleidet als Monster - noch um 22 Uhr mit anderen Jugendlichen beim „Trick or Treat“. Das lag weit außerhalb meiner Komfortzone!

Wie bist du mit der Sprachbarriere umgegangen?

Vor dem Austausch übte ich online mit einer Sprachpartnerin aus Texas, die mir meine Mutter vermittelt hatte. In der Schule lernt man hauptsächlich Grammatik und Textarbeit, aber richtiges Sprechen lernt man nur durch Kommunikation mit anderen. Diese Vorbereitung hat mir sehr geholfen und mein Englisch verbessert.

Was würdest du anderen raten, die an einem Austausch teilnehmen wollen?

Habt keine Vorurteile und bleibt offen! Die Gastgeber können zurückhaltender oder offener sein, als man es gewohnt ist. Ich empfehle, sich anzupassen und aus der Komfortzone auszubrechen. Es werden auf jeden Fall peinliche Situationen passieren. Das gehört einfach dazu.

Könntest du dir auch einen längeren Auslandsaufenthalt vorstellen?

Ein ganzes Jahr wäre zu lang für mich, aber ein Auslandssemester im Studium oder eine längere Reise kann ich mir gut vorstellen. Ich möchte noch viele Orte sehen: Skandinavien, asiatische Länder wie Indonesien und Malaysia, und ein afrikanisches Land wie Marokko oder Ägypten.