Portrait der tschechischen Gastschülerin Magdaléna vor einer Tanne
„Ich bin erwachsener und selbstsicherer geworden“
Magdaléna
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Deutschland
Schülerin

Magdaléna aus Pilsen in Tschechien verbrachte ein Austauschjahr in Iggensbach in Niederbayern. Das Bayerisch-Tschechischen Gastschuljahr der Euregio Egrensis machte den Schüleraustausch möglich. Im Interview berichtet Magdaléna, welche Herausforderungen sie bewältigt und wie sie sich dadurch weiterentwickelt hat.

Was hat dich motiviert, ein Jahr in Deutschland zu verbringen?

Meine größte Motivation war es, meine Deutschkenntnisse zu verbessern und Bayerisch zu lernen. Ich habe bereits seit sieben Jahren Deutsch als zweite Fremdsprache in der Schule. Doch Bayerisch ist ganz anders als Hochdeutsch und als Ausländerin schwer zu verstehen. Der Dialekt fasziniert mich. Leider hat das Bayerisch lernen nur teilweise geklappt. Ich verstehe den Dialekt zwar, aber ich kann ihn nicht sprechen.

Du bist in Deggendorf zur Schule gegangen und hast in Iggensbach gewohnt. Wie hat dir die Region gefallen?

Gut. Ich mochte beide Orte. Nur die Busverbindung war schwierig. Die Fahrt dauerte 40 Minuten und die Busse fuhren sehr selten. Ich musste mich oft entscheiden, ob ich jetzt sofort fahren möchte oder erst in zwei Stunden. Das war eine neue Erfahrung für mich, weil ich in Pilsen normalerweise alles in zehn Minuten zu Fuß erreiche.

„Ich wollte Bayerisch lernen. Der Dialekt fasziniert mich.“

Was hat dich in Deutschland überrascht?

Die digitale Ausstattung der Schule hat mich sehr beeindruckt. Man konnte zum Beispiel einfach seine Aufgaben auf die Tafel „airdroppen“ – also drahtlos hinschicken. Das fanden alle völlig normal.

Außerdem ist mir aufgefallen, dass die deutschen Schüler wirklich früh heimfahren. Um Punkt 13 Uhr müssen alle ganz schnell nach Hause, weil kein anderer Bus mehr fährt. Oft machen sie dann nach der Schule nichts mehr. Das bin ich gar nicht gewohnt. Bei uns gehen die meisten noch in die Stadt, miteinander Mittagessen, unternehmen was mit Freunden oder haben ein anderes Hobby. Das habe ich in Deggendorf nicht erlebt.

Wie hast du deine Nachmittage verbracht?

Montagnachmittags hatte ich immer mein Wahlunterrichtsfach Philosophie an der Schule. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht.

An den anderen Tagen war ich öfter in der gemütlichen Bibliothek in Deggendorf und habe gelesen. Außerdem half ich bei Leichtathletiktrainings und in einem Freiwilligenzentrum. Dort habe ich Dinge für Veranstaltungen aufgebaut oder Kinder betreut.

„Ich hätte mehr Kontakt zu meinen Eltern und Freunden in der Heimat gebraucht.“

Vor welchen Schwierigkeiten standest du? 

Am schwersten fand ich, dass ich wenig Kontakt zu meinen Eltern und Freunden in der Heimat hatte. Vor meinem Austauschjahr hatte ich viele Videos von Jugendlichen angeschaut, die über ihre Austauschjahre berichteten. Sie sagten, dass man nicht so oft mit zuhause telefonieren soll. Das habe ich zu ernst genommen. Ich hatte außerdem das Gefühl, dass ich nicht im Moment lebe, wenn ich zu viel an Zuhause denke oder Kontakt mit Freunden habe. Aber eigentlich hätte ich das gebraucht.

Meine Gastmutter ist ab und zu ein Wochenende weggefahren. Da hätte ich auch heimfahren können, aber ich habe es mir verboten, weil ich dann nicht Deutsch sprechen würde. Das habe ich aber ohnehin nicht gemacht, weil ich mit den beiden Katzen allein war.

Meine Freundinnen und ich haben uns aber jeden Monat Berichte und Fotos geschickt. Darin standen ein Funfact, das beste Essen, das ich gegessen hatte, was mich traurig und was mich glücklich gemacht hat. Das hat mir sehr geholfen.

Hast du bei deinem Austauschjahr in Deutschland neue Freunde gefunden?

Ja, bei den außerschulischen Aktivitäten, also beim Philosophieunterricht und der Leichtathletik. Da waren Leute, die dasselbe mochten wie ich. Die Gastmutter war auch voll cool und wir haben Sachen gemeinsam unternommen. In der Klasse eher nicht, aber das ist auch okay. Dort war es schwer für mich, Anschluss zu finden.

Meine Mitschüler waren nett, aber ich musste die Gespräche meistens beginnen. Wir hatten auch nicht viele gemeinsame Interessen. Etwas später ist noch ein Junge aus Tschechien in unsere Klasse gekommen, der sehr schlecht Deutsch sprach. Nach einer Woche war er super beliebt und ich war immer noch die Außenseiterin. Das war schwierig für mich, aber ich musste einsehen, dass es halt einfach nicht so gut passte.

„Ich weiß genauer, wer ich bin.“

Wie hast du dich durch dein Austauschjahr verändert?

Ich finde, ich bin ein bisschen erwachsener und selbstsicherer geworden. Ich fühle mich wohler in meiner Haut und weiß genauer, wer ich bin. Außerdem bin ich viel toleranter als vorher.

Ich habe auch entdeckt, dass ich Mathe, Physik und Chemie kann. In Tschechien bekomme ich meistens Dreier. Doch dann habe ich gemerkt, dass ich es verstehe, wenn ich genug Zeit bekomme. In Deutschland war ich in Mathe plötzlich die beste in der Klasse und konnte meinen Mitschülern den Stoff erklären. 

Inzwischen engagiere ich mich selbst im Deutsch-Tschechischen Austausch. Ich arbeite gern pädagogisch mit Kindern und kann dabei endlich meine Deutschkenntnisse nutzen. Wenn ich später mal studiere, kann ich mir gut vorstellen, Sprachanimation zu machen. Denn das macht wirklich Spaß und ist gut bezahlt.