Portrait von Stephanie Decker im Garten
„Es ist wichtig, ein Team für die Organisation zu haben“
Stephanie Decker
England
Lehrerin an der Mittelschule Eichendorffschule in Erlangen

Die Städtepartnerschaft mit der englischen Stadt Stoke-on-Trent wiederbeleben – das gelang der Mittelschule Eichendorffschule in Erlangen mit einem Schüleraustausch mit der St. Margaret’s C.E. Junior School. Lehrerin Stephanie Decker stellte ihn federführend auf die Beine. Hier teilt sie ihre Erfahrungen und gibt Tipps, wie die Organisation gelingt.

Wie kam der Schüleraustausch mit der St. Margaret’s School zustande? 

Es besteht schon seit 35 Jahren eine Städtepartnerschaft zwischen der Stadt Erlangen und Stoke-on-Trent. Diese schlief jedoch durch die Corona-Pandemie und den Brexit ein. Der ehemalige Erlanger Städtebeauftragte kam mit dem Wunsch auf uns zu, die Partnerschaft mit unserer Schule wieder aufleben zu lassen. Daran tasteten wir Lehrer uns langsam heran.

Was motivierte Sie, die Organisation zu übernehmen?

Als Jugendliche reiste ich oft mit meinen Eltern und lernte dabei viele Länder, Kulturen und Menschen kennen. Meine wichtigste Erkenntnis war, dass Menschen überall auf der Welt das Gleiche möchten: Respekt und Anerkennung. Wenn wir höflich und respektvoll miteinander umgehen, können wir friedlich zusammenleben. Dieses Verständnis wollte ich meinen Schülern vermitteln. In England erlebten sie genau das. Nach unserer Reise erzählten sie begeistert, wie höflich die englischen Schüler waren und wie toll sie miteinander und mit uns umgingen.

Außerdem wollte ich meinen Schülern vermitteln, dass Unbekanntes spannend ist und sie keine Angst davor zu haben brauchen. Und ich wollte ihnen zeigen, dass es viele Dinge gibt, die sie gut können. Die Schüler unserer fünften Klassen fühlen sich oft abgestempelt, weil sie es nicht auf die Realschule geschafft haben. Ich möchte ihnen klarmachen, dass es egal ist, auf welche Schule man geht. Wichtig ist, das Beste aus sich herauszuholen.

Es ist egal, auf welche Schule man geht. Wichtig ist, das Beste aus sich herauszuholen.

Wie organisierten Sie den Englandaustausch?

Wir waren nun das zweite Mal in Stoke-on-Trent. Letztes Jahr flogen wir mit Schülerinnen und Schülern aus einer sechsten Klasse hin. Der Austausch stand der kompletten Klasse offen. Am Ende kamen aber nur 11 Kinder mit. Teilweise erlaubten die Eltern die Reise nicht, teilweise gab es Probleme mit dem Visum. Manche Schüler konnten Deutschland nicht verlassen, weil der Aufenthaltsstatus ihrer Familie nicht gesichert war. Das war schwierig. Außerdem passte die Vorbereitung der Schüler schlecht in den regulären Lehrplan.

Aus diesen Gründen organisierten wir es diesmal anders – mit einem separaten England-Campus. Ein Campus ist ein Wahlfach an unserer Schule, das man in der Regel ein halbes Jahr lang besucht. Für den Englandaustausch boten wir einen ganzjährigen Campus an. Wer sich dafür anmeldete, war automatisch beim Schüleraustausch dabei.

Dadurch bekamen wir zwei Stunden Zeit pro Woche, um den Austausch mit den Schülerinnen und Schülern vorzubereiten. Den Unterschied merkte ich deutlich. Wir organisierten mehrere Aktivitäten im Vorfeld, unter anderem einige Spendensammelaktionen, um die Fahrt zu finanzieren. Derart für die Sache engagieren kann man sich nur, wenn man Zeit zur Verfügung hat, die man frei nutzen kann. Durch die intensive Vorbereitung sind wir als Gruppe eng zusammengewachsen. 

Wir boten einen England-Campus an, der ein ganzes Jahr dauerte.

Ihr Schüleraustausch bestand vor allem aus Projekten an der Partnerschule. Wie sahen diese aus?

Ein Projekt war ein KICKFAIR-Spiel mit den englischen fünften Klassen. KICKFAIR ist ein Fußballspiel, bei dem nicht nur die geschossenen Tore zählen, sondern auch, wie fair man miteinander spielt. Für beides gibt es gleich viele Punkte. Wir merkten, dass Sport verbindet – ohne, dass man viele Worte braucht.

Ein Flohmarkt in der Turnhalle zusammen mit zwei vierten Klassen der St. Margaret's School war ein weiteres Projekt. Über 50 Kinder nahmen teil. Sie alle spendeten eigene Gegenstände für den Verkauf. Am Vormittag sortierten die Schülerinnen und Schüler gemeinsam die Sachen, klebten Preise darauf und malten Werbeplakate. Danach starteten zwischen den Ausstellern direkt die ersten inoffiziellen Verhandlungen über besonders beliebte Spielsachen wie Pokémon-Karten.

Der eigentliche Verkauf begann am Nachmittag. Nacheinander kamen Klassen herein und kauften ein. Damit die Geschäfte nicht so kompliziert wurden, behandelten wir Euro und Pfund gleichwertig. Die englischen und deutschen Schüler hatten keinerlei Scheu, miteinander zu arbeiten. Das war schön zu sehen. Das eingenommene Geld spendeten wir dem WWF.

Was war Ihr persönliches Highlight in England?

Am meisten freute mich, dass die Kinder so viel miteinander kommunizierten. Letztes Jahr trauten sich unsere Schüler kaum, mit den englischen Schülern zu reden. Das war diesmal anders. Sowohl die englischen Schüler als auch unsere suchten den Kontakt und quatschten viel in den Pausen. Drei unserer Schüler konnten gut Englisch und unterstützten die anderen als Übersetzer. Das war ein großer Vorteil.

Die Schüler sind in dieser Woche wirklich gewachsen, das konnte ich sehen. Einige hatten Erlangen noch nie verlassen, weil sich ihre Familien keine Reise leisten können. Für sie war der Schüleraustausch natürlich ein Riesenschritt. Alle bissen sich durch, obwohl sie manchmal platt waren.

Die Schüler bissen sich durch, obwohl sie manchmal platt waren.

Zurück zur Organisation: Welche Herausforderungen mussten Sie lösen?

Ich hätte die Aufgaben gerne in einer festen Reihenfolge abgearbeitet, doch vieles war miteinander verknüpft. Zum Beispiel konnte ich die Unterkunft und die Flüge nicht frühzeitig buchen, weil ich keine Garantie hatte, dass ich das Geld für die Reise zusammenbekomme und nicht wusste, wie viele Schüler mitfliegen dürfen. Die visumspflichtigen Schüler konnten das Visum erst drei Monate vor der Reise beantragen.

In diesem Jahr gab es drei Kinder, die aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft ein Visum brauchten. Eine Mutter organisierte das komplett allein, aber zwei Väter benötigten Unterstützung. Mit ihnen saß ich jeweils eine Stunde in der Schule und wir füllten den Visumsantrag gemeinsam aus.

Die Kommunikation mit der englischen Schule verlief zudem oft sehr schleppend. Teilweise wartete ich zwei bis drei Monate auf Antworten.

Wer unterstützte Sie?

Die Beauftragte der Stadt Erlangen, die uns viele Kontakte vermittelte, der Rotary Club in Stoke-on-Trent, in dem auch der ehemalige Schulleiter der englischen Schule tätig ist, das Büro des Freistaats Bayern in London und die Stiftung Jugendaustausch Bayern. Sie übernahm die Kosten für einen Lehramtsstudenten, der viel in unserer Campus-AG mitorganisierte und mitflog. 

Eigentlich sollte er die administrativen Aufgaben managen, aber das war ohne Vorerfahrung nicht möglich. Er hat sich aber sehr gut in den Unterricht eingebracht und konnte diesen mitgestalten, sodass ich die Zeit für organisatorische Aufgaben nutzen konnte. Zum Glück wird er ein weiteres Jahr da sein und zusätzliche Aufgaben übernehmen können.

Als dritte im Team unterstützte mich meine Kollegin Katherine Jessop. Sie übernahm den wöchentlichen Unterricht sowie die Kommunikation mit den Unterkünften und die Buchung. Sie ist Kanadierin und spricht nur Englisch. Der Kontakt zu ihr nahm den Schülern die Scheu, Englisch zu sprechen, auch wenn nicht alles perfekt ist oder ihnen Wörter fehlen.

Fangen Sie bloß nicht allein an!

Welche Tipps haben Sie für Lehrkräfte, die ebenfalls einen Schüleraustausch auf die Beine stellen wollen?

Fangen Sie bloß nicht allein damit an! Es ist wichtig, ein Team um sich zu haben. Es sollte mindestens aus zwei bis drei Personen bestehen, damit man Aufgaben verteilen und abwechselnd übernehmen kann. Außerdem sollte man unbedingt mit Herzblut dabei sein, sonst geht es nicht. Und es ist wichtig, im Vorfeld viele Kontakte zu knüpfen, Informationen einzuholen und frühzeitig mit der Planung zu beginnen.

Im März besuchte ich die Fortbildung „Neue Horizonte für Mittelschulen in Bayern – Möglichkeiten des internationalen Austauschs“ an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung (ALP), die in Kooperation mit der Stiftung Jugendaustausch Bayern, dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus, dem Bayerischem Jugendring und dem Pädagogischem Institut München stattfand. Die kann ich sehr empfehlen. Die Fortbildung hätte ich gerne schon eineinhalb Jahre früher gehabt, das hätte mir einige graue Haare erspart!

Wie wird der Schüleraustausch an Ihrer Schule weitergehen?

Wir möchten einen regelmäßigen Schüleraustausch mit England für unsere fünften Klassen etablieren. Die Schüler profitieren enorm davon. Sie wachsen an den Herausforderungen, denen sie sich stellen und den Erfahrungen, die sie machen.

Langfristig wollen wir die Möglichkeiten auf mehr Jahrgangsstufen ausweiten. Vielleicht kann irgendwann die gesamte Schule internationale Erfahrungen sammeln. Wir haben Anfragen aus China und Brasilien bekommen und informieren uns gerade darüber, was möglich ist. Denkbar wäre hier auch ein regelmäßiger Online-Austausch oder ein persönlicher Schüleraustausch alle zwei Jahre. 

Zusätzlich möchte ich unsere Schüler mehr über die Möglichkeiten individueller Schüleraustausche informieren. Bei unserem Sommerfest legte ich Infomaterial aus, ab nächstem Schuljahr werde ich eine kleine Sprechstunde anbieten. Die meisten Schüler wissen gar nicht, dass es so viele Möglichkeiten gibt. Ich wusste es vor der Fortbildung ebenfalls nicht. Deswegen möchte ich als Schnittstelle fungieren. Ich zeige den Schülern das Infoportal der Stiftung Jugendaustausch Bayern und sage ihnen, dass sie mich nochmal kontaktieren können, wenn sie es sich in Ruhe durchgeschaut haben. Dort ist alles gesammelt und man wird an die richtigen Stellen weiter verlinkt.