Foto von Veronika Ewender, Lehrkraft am Beruflichen Schulzentrum Landshut-Schönbrunn
„Ein internationaler Austausch ist lebensverändernd“
Veronika Ewender
USA
Lehrerin am Beruflichen Schulzentrum Landshut-Schönbrunn

Ein Schüleraustausch in die USA: Das bedeutete für viele Teilnehmenden, zum ersten Mal im Leben in ein Flugzeug zu steigen und eine Fremdsprache außerhalb des Klassenzimmers zu sprechen. Veronika Ewender, Englisch-, Geschichts- und Politiklehrerin am Beruflichen Schulzentrum Landshut-Schönbrunn, plante den Austausch ihres Schulzentrums mit der Seminole County High School in Georgia. Im Interview erzählt sie, warum sie solche Erlebnisse möglichst vielen Schülern ermöglichen möchte. Außerdem gibt sie Tipps, wie man internationale Jugendbegegnungen langfristig und nachhaltig auf die Beine stellt.

Was motivierte Sie, einen internationalen Schulaustausch zu organisieren?

Es war eine Mischung aus Motivation und Glück. Mehrere Faktoren kamen zusammen: Das Amerika-Haus gab den Anstoß, und eine Umfrage an unserer Schule zeigte, dass viele Schüler großes Interesse an einem Auslandsaufenthalt haben. Viele hatten bisher keine Gelegenheit dazu, einige sehen auch in Zukunft keine Chancen. Dazu kamen eine unterstützende Schulleitung und ein engagiertes Kollegium.

Welche Ziele haben Sie für Ihre Schüler?

Wir sind eine „Grüne Schule“ mit dem Schwerpunkt „Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)“. Diese Strategie zielt darauf ab, den transnationalen Austausch zu fördern, die Vielfalt der Schulgemeinschaft zu würdigen und innovative Ansätze besonders im Bereich Nachhaltigkeit zu entwickeln. Deshalb fördern wir gezielt die Kompetenzen unserer Schüler in diesen Bereichen. Drei Schularten unseres Zentrums arbeiten am Thema nachhaltige Entwicklung mit: die Fachoberschule Agrar, Bio und Umwelt, die Berufsschule für Landwirtschaft und die Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung. Gemeinsam tragen sie unser Nachhaltigkeitskonzept, das Regionalität und Saisonalität in den Mittelpunkt stellt. 

Wie entstand der Kontakt zur Partnerschule?

Das Amerika-Haus bot ein Programm namens „Green Together“ an, bei dem bayerische und US-amerikanische Schulen gemeinsam Nachhaltigkeitsprojekte umsetzten. Das passte zu unserem Schulprofil, und die Idee, mit den drei genannten Schularten sowie einer Partnerschule im Ausland zusammenzuarbeiten, überzeugte uns. Ursprünglich planten wir nur eine digitale Kooperation. Doch die Seminole County High School in Georgia zeigte so viel Engagement, dass daraus rasch ein Austausch vor Ort entstand. Der Vorbereitungsbesuch der Lehrkräfte spielte dabei eine entscheidende Rolle. Anfangs war ich skeptisch, doch wenn sich Lehrer vor einem Schüleraustausch persönlich begegnen, erreichen sie gemeinsam deutlich mehr.

Was sind die Vorteile eines projektbasierten Austauschs?

Projekte können schon vor der Reise in das Zielland starten. Die Schüler treffen sich zunächst virtuell, bearbeiten konkrete Aufgaben und haben so eine Gesprächsgrundlage. Das erleichtert es, Barrieren abzubauen. Die persönliche Sympathie entsteht dann fast von selbst.

Welche Herausforderungen brachte dieser Ansatz mit sich?

Wir stellten schnell fest, dass beide Länder auf unterschiedlichen Niveaus arbeiten. Ein Beispiel ist die Direktvermarktung in der Landwirtschaft: In Deutschland ist diese längst systematisiert, in den USA noch nicht. Deshalb haben wir die Rollen neu definiert. Die Deutschen bringen Expertise ein, die Amerikaner setzen Projekte pragmatisch und vernetzt um. So entwickelte die amerikanische Schule auf Basis unserer Ideen ein eigenes Vertriebssystem und verkauft nun Produkte von umliegenden Farmen.

Wir schauten uns Betriebe an, die zu den Berufszielen der Schüler passten.

Welche Schwerpunkte sind Ihnen bei der Begegnung wichtig?

Wir legen den Fokus auf die berufliche Bildung und Selbstwirksamkeit. Die Berufsschüler profitieren davon enorm: Sie mussten am Flughafen alles selbst organisieren, bewältigten die Einreise in die USA eigenständig. Jeder deutsche Schüler hatte einen amerikanischen Partner und sprach die ganze Woche Englisch. Morgens trafen wir uns an der Highschool, dann besuchten die Schüler den Unterricht. Nachmittags schauten wir uns Betriebe an, die zu den Berufszielen der Schüler passten. Landwirtschaftsschüler besuchten Farmen, Schüler aus Ernährung und Versorgung arbeiteten in Konditoreien und Kantinen mit. 

Wie haben sich die Jugendlichen auf den Perspektivwechsel eingelassen?

Unglaublich schnell. Wir hatten FOS-Schüler mit angestrebtem Fachabitur und Berufsschüler ohne akademischen Abschluss dabei. Nach zwei Tagen war nicht mehr zu erkennen, wer was ist. Alle bewegten sich sicher in der neuen Umgebung und der Fremdsprache. Die Sprachbarriere war praktisch nicht vorhanden. Die Schüler waren wissbegierig und offen für alles. Die persönliche Verbindung zu den US-amerikanischen Schülern entstand schnell, da sie sich durch die Projektarbeit schon virtuell kannten.

Was war Ihr persönliches Highlight?

Ich komme aus der Politikwissenschaft und habe eine eher liberale Weltanschauung. Mein Highlight war, zu verstehen, warum sich manche Regionen in den USA so konservativ entwickeln. Wir sprachen mit der Busfahrerin, der Landbevölkerung, Farmern ohne Schulabschluss. Das war enorm bereichernd. Man beobachtet die Tendenzen in den USA aus der Distanz, aber vor Ort versteht man sie besser.

Welche Veränderungen bemerken Sie bei den Schülern?

Die Schüler bewegen sich anders durch die Schule. Sie identifizieren sich stärker mit ihr. Fast alle Teilnehmer des Austauschs arbeiten jetzt aktiv in der Schülervertretung mit. Besonders die Schüler aus Ernährung und Versorgung profitieren enorm. Viele kommen aus strukturschwächeren Familien und müssen ihr Selbstbewusstsein stärken. Nach dem Austausch kehren sie mit einem ganz neuen Selbstwertgefühl zurück, denn sie haben ein eigenes Projekt in einer Fremdsprache an einer Schule im Ausland umgesetzt. Unsere europakritischen Landwirtschaftsschüler sahen Dinge, die ihnen nicht gefielen. Nach drei Tagen sagte einer von ihnen: „Es ist gut, dass es bei uns gewisse Regularien gibt. “ Genau das wollten wir erreichen.

Setzen Sie sich ein zweites Ziel neben dem reinen Austausch.

Als nächster Meilenstein steht die Akkreditierung für Erasmus plus* an. Wie kam es zu diesem Schritt?

Die Stiftung Jugendaustausch Bayern war dafür entscheidend. Sie zeigte uns von Beginn an, wohin der Weg führen könnte. Von Anfang an war klar, dass die Stiftung die Anschubfinanzierung für zwei Jahre übernimmt und das Projekt dann in Erasmus+ überführt werden muss. Das motivierte uns, uns von Anfang an personell und strukturell gut aufzustellen. 

Wer unterstützte Sie bei der Erasmus plus-Beantragung?

Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) war eine große Hilfe. Mein Kollege Herr Adam und ich nahmen an einer einwöchigen Fortbildung teil. Dort schrieben wir den Antrag und besuchten nebenbei Betriebe. Das ISB-Erasmus plus-Team leistete großartige Unterstützung.

Wie blicken Sie in die Zukunft?

Wir haben erlebt, wie bereichernd der Austausch für die Schüler ist. Jetzt wollen wir möglichst vielen diese Chance bieten, vor allem denen, die sonst keine Möglichkeit hätten. Der Fokus liegt auf Berufsschülern, die oft nicht ins Ausland kommen. Von den neun Teilnehmern waren sieben noch nie geflogen und werden es vielleicht auch nicht mehr tun. Ein internationaler Austausch ist lebensverändernd.

Was raten Sie anderen Lehrkräften?

Setzen Sie sich ein zweites Ziel neben dem reinen Austausch. Und binden Sie möglichst viele Schularten ein, wenn Sie ein Schulzentrum sind. So vernetzen Sie die Schularten und bringen etwas zurück an die Schule. Dokumentieren Sie alles gut und systematisieren Sie den Prozess. So gestalten Sie den Austausch langfristig und unabhängig von einzelnen Personen.

* Erasmus plus ist ein Förderprogramm der Europäischen Union, das die Mobilität und Zusammenarbeit im Bereich Bildung, Jugend und Sport in Europa und vielen weiteren Ländern weltweit unterstützt. Es fördert unter anderem Auslandsaufenthalte und Austauschmöglichkeiten für Studierende, Schüler, Lehrkräfte und Bildungseinrichtungen.