Foto von Alena Brandl, Lehrkraft am Beruflichen Schulzentrum Kelheim
„Der Austausch bereicherte auch uns Lehrkräfte“
Alena Brandl
Finnland
Lehrerin am Beruflichen Schulzentrum Kelheim

Fünf Schulen, ein Ziel: Ein internationaler Austausch nach Kouvola in Finnland. Alena Brandl, Lehrerin für Sozialpädagogik und Englisch am Beruflichen Schulzentrum Kelheim, koordinierte erstmals eine Kooperation von fünf bayerischen Berufsfachschulen der Kinderpflege. Im Interview erklärt sie, welche Vorteile diese schulübergreifende Zusammenarbeit bietet und welche Erkenntnisse sie aus den Begegnungen in Finnland in ihren Unterricht einfließen lässt. 

Welche Vorteile bringt die Zusammenarbeit von fünf Berufsfachschulen für einen internationalen Austausch aus Ihrer Erfahrung?

Der größte Vorteil lag in der effizienten Aufgabenverteilung. Eine Schule übernahm den Kontakt zur finnischen Partnerschule, eine andere kümmerte sich um Flüge und Unterkunft, die dritte organisierte das Freizeitprogramm in Finnland. So verteilte sich die Arbeit auf mehrere Schultern. Jede Schule konnte ihre Stärken einbringen. Meine Aufgabe war es, die Schulen zu koordinieren, ihre Ideen und Wünsche zu sammeln.  Die bayernweite Zusammenarbeit der Berufsschulen aus Kelheim, Dinkelsbühl-Rothenburg o. d. Tauber, München-Land, Rosenheim und Dachau war ein absolutes Novum und brachte allen Beteiligten einen echten Mehrwert.

Wie lange dauerte das Projekt von der ersten Idee bis zur Umsetzung?

Etwa ein Jahr. Im vergangenen Schuljahr erhielt ich eine E-Mail von der Stiftung Jugendaustausch Bayern über die Möglichkeit, ein solches Projekt zu starten. Interessierte Schulen konnten sich melden und ich reagierte sofort. Im Juli 2024 fand dann das erste Treffen statt.

Ein Jahr Vorbereitung ging nun zu Ende, die Begegnung fand im Mai 2025 statt. Was haben Sie in Finnland erlebt?

Insgesamt waren wir sieben Tage unterwegs. Wir begannen mit einer Stadtrallye in Helsinki, bei der Schülerinnen aus den verschiedenen Schulen in gemischten Gruppen Aufgaben lösten. Diese Aufgaben erforderten vor allem, mit den Finnen zu interagieren, etwa gemeinsam zu singen oder zu tanzen. Das Kernprogramm fand an der Eduko-Schule in Kouvola statt, unserem finnischen Partner. Wir besuchten Waldkindergärten, reguläre Kindergärten und eine moderne Grundschule. Besonders beeindruckte uns der Kindergartenbus, ein mobiles Konzept mit Küche, Toilette und Spielmöglichkeiten für Ausflüge.

Unsere Schülerinnen tauschten sich intensiv mit finnischen Auszubildenden aus, spielten traditionelle Spiele und erlebten die finnische Saunakultur. Das Programm verband fachliche Einblicke perfekt mit kulturellem Austausch. 

Ich nehme die Grundhaltung mit: 80 Prozent Wertschätzung, 20 Prozent Kritik.

Was überraschte Sie am meisten?

Finnland gilt als digital sehr fortschrittlich, doch in manchen Bereichen ähneln wir uns mehr als erwartet. Lehrkräfte erhalten dort genauso wenig Anrechnungsstunden für Zusatzaufgaben wie bei uns, obwohl die Arbeit sehr umfangreich ist.

Die Finnen wirken zunächst zurückhaltend, sind aber tatsächlich sehr offen und herzlich. Das zeigt sich schon bei den Kleinsten. Kinder, die kein Englisch sprechen konnten, zeigten uns begeistert ihren Kindergarten. Besonders beeindruckte mich die Haltung der Ausbilder. Sie sagen, dass sie nicht arbeiten, sondern mit den Kindern spielen. Ihre Pädagogik ist durchweg wertschätzend. Auch wir arbeiten so, aber in Finnland spürte ich diese Haltung noch viel intensiver. Kinder gelten dort als eigenständige Persönlichkeiten, denen man sehr viel zutraut.

Welche fachlichen Aspekte nehmen Sie persönlich mit?

Die wertschätzende Haltung prägte mich am meisten. Im Kindergarten trugen Erzieher Schlüsselbänder mit farbigen Karten: Grün bedeutete alles in Ordnung, Gelb forderte zum Nachdenken auf, Rot stand für klare Regelverstöße. Für meinen Unterricht ist das schwer umsetzbar, da meine Schülerinnen älter sind. Aber ich nehme die Grundhaltung mit: 80 Prozent Wertschätzung, 20 Prozent Kritik. Dieser Grundsatz gefällt mir sehr. Oft sage ich genervt, dass etwas nicht gut war. Stattdessen sollte ich bewusst loben, wenn etwas gelingt. Ich möchte den typisch bayerischen Satz, dass nicht geschimpft schon Lob genug sei, durch ein ehrliches und wertschätzendes Feedback ersetzen.

Wie ließen sich die Schülerinnen auf die neue Kultur ein?

Fantastisch. Ihre Entwicklung war wirklich beeindruckend. Am Münchner Flughafen fragten sie noch aufgeregt, ob sie auf viele fremde Menschen treffen werden. Anfangs hatten sie Berührungsängste, auch untereinander.

Die Stadtrallye forderte sie zu Beginn direkt heraus: Sie mussten den Tag getrennt von Freunden mit vier fremden Jugendlichen der bayerischen Partnerschulen verbringen. Doch schnell entstanden schulübergreifende Freundschaften. Bereits am dritten Tag sangen sie Lieder auf Finnisch, Deutsch und Englisch mit finnischen Schülern. Sie öffneten sich völlig und spielten mit Kindergartenkindern, die nicht dieselbe Sprache sprachen. Die Schülerinnen entdeckten eine Offenheit an sich selbst, die sie so noch nicht kannten.

Wie überwanden die Schülerinnen die Sprachbarriere?

Erstaunlich gut, obwohl einige meiner Schülerinnen anfangs behaupteten, sie könnten nur sehr wenig Englisch. Bei der Stadtrallye sprachen zunächst nur die Mutigen. Doch das Interesse wuchs schnell, und auch die Zurückhaltenderen wollten unbedingt Fragen stellen, auch mit wenigen Worten. Den finnischen Schülerinnen und Schüler ging es ähnlich. Manche sprachen fließend Englisch, andere nutzten Zettel, um sich zu verständigen. Eine bayerische Schülerin bat mich einmal, etwas zu fragen. Ich ermutigte sie, es selbst zu versuchen. Zehn Minuten später tat sie es tatsächlich. Solche Momente zeigen, wie sie sich während des Austauschs weiterentwickelt haben. 

Jetzt kann und darf ich etwas von diesen wertvollen Erfahrungen zurückgeben.

Wie fällt Ihr Fazit zum Kooperationsprojekt aus? 

Sehr positiv. Auch wenn die Koordination sehr aufwendig war, und ich mich zwischendurch zugegebenermaßen schon mal fragte, warum ich mir das angetan habe – da ich gleichzeitig ein weiteres Auslandsprojekt mit Malta betreue – war die Erfahrung insgesamt eine äußerst positive. Der Austausch mit Finnland bereicherte nicht nur die Schülerinnen, sondern auch uns Lehrkräfte.

Die Stiftung betonte immer wieder die Bedeutung von Kooperation. Dieser Fokus hat etwas angestoßen und sehr wertvolles geschaffen. Ich kann mir gut vorstellen, mit den Kollegen des Finnland-Austauschs weitere Projekte zu entwickeln. Unsere Schule ist Erasmus plus*-akkreditiert, dadurch können wir Auslandsprojekte eigenständig gestalten. Einige der beteiligten Schulen streben die Akkreditierung an. Wir unterstützen sie gerne dabei und geben unsere Erfahrungen weiter.

Woher kommt Ihre Begeisterung für internationale Projekte?

Das liegt daran, dass ich schon als Schülerin viele internationale Erfahrungen sammelte. In der 9. Klasse nahm ich an einem Projekt mit England teil, später an einem mit Ungarn. Mit 17 verbrachte ich ein Jahr in den USA mit der Austauschorganisation Youth for Understanding (YFU). Diese Erlebnisse als Jugendliche prägten mich nachhaltig. Ich finde es wichtig, dass junge Menschen andere Länder und Kulturen kennenlernen. Jetzt kann und darf ich etwas von diesen wertvollen Erfahrungen zurückgeben.

* Erasmus plus ist ein Förderprogramm der Europäischen Union, das die Mobilität und Zusammenarbeit im Bereich Bildung, Jugend und Sport in Europa und vielen weiteren Ländern weltweit unterstützt. Es fördert unter anderem Auslandsaufenthalte und Austauschmöglichkeiten für Studierende, Schüler, Lehrkräfte und Bildungseinrichtungen.