„Ein Auslandsaufenthalt kann bei Mittelschülern sehr viel bewirken“
Marco Piergallini
Rumänien
Lehrer an der Mittelschule am Winthirplatz in München

Marco Piergallini, Lehrer an der Mittelschule am Winthirplatz in München, organisierte einen Schüleraustausch mit der Aviator-Ioan-Sava-Mittelschule in Alțâna in Rumänien. In beiden Ländern erarbeiteten die Schülerinnen und Schüler ein Musiktheater, das sie zum Abschluss aufführten. Im Interview erzählt er von seinen Highlights und dem Feedback der Jugendlichen.

Wie kam Ihr interkultureller Musikaustausch mit Rumänien zustande?

Der Austausch kam auf Initiative von Anne Buter, Vorsitzende des Vereins „Musicians for a better life“ zustande. Sie hatte die Idee und vermittelte den Kontakt zur Partnerschule in Rumänien. Ich kannte sie von einem Musikprojekt an unserer Schule. Am Thema Schüleraustausch war ich schon immer interessiert, also schlossen wir uns für das interkulturelle Musikprojekt zusammen und stellten gemeinsam einen Antrag auf Finanzierung bei der Stiftung Jugendaustausch Bayern.

Woher kommt Ihr Interesse am Thema Schüleraustausch?

Ich war schon während meiner eigenen Schulzeit oft auf Klassenfahrten. Wir reisten vor allem in Deutschland, aber auch mal nach Österreich und Italien. Das fand ich toll. Als Referendar half ich dann bei einem Erasmus+-Austausch-Projekt mit und merkte, wie sinnvoll das für die Jugendlichen ist. Seitdem betreute ich mehrere Erasmus+-Projekte an der Mittelschule am Winthirplatz. Durch zwei Projekte mit jeweils fünf Partnerschulen konnte ich bereits nach Polen, Frankreich, Italien und Portugal reisen.

Für eine Mittelschule sind internationale Projekte ungewöhnlich…

Leider ja. Dabei kann ein Auslandsaufenthalt bei Mittelschülern sehr viel bewirken. Schüleraustausche sind ein wichtiges Instrument, um bei ihnen positive Veränderungen anzustoßen. Noten sind an unserer Schule kein geeignetes Druckmittel. Aber die Aussicht auf eine Reise kann schwierigen Schülern einen Anreiz bieten, ihr Verhalten zu ändern. Ich sage meinen neuen Klassen zu Schuljahresbeginn: Eine Chance mitzukommen haben nur diejenigen, denen ich vertraue und die sich anständig verhalten.

Beim Projekt mit Rumänien stellte ich fest, was die Teilnahme an einem Schüleraustausch verändern kann. Bei einem Schüler waren meine Kollegen und ich äußerst unsicher, ob wir ihn mitnehmen sollten. Er hatte in der Vergangenheit öfter Probleme gemacht. Schließlich durfte er mitfliegen, unter anderem, weil er Rumänisch konnte. Und siehe da: Er entwickelte sich durch den Austausch enorm weiter. Er knüpfte neue Kontakte und tritt jetzt an der Schule ganz anders auf. Auf einmal ist er ein vorbildlicher Schüler!

Ein Schüler entwickelte sich durch den Rumänienaustausch enorm weiter. Er knüpfte neue Kontakte und tritt jetzt an der Schule ganz anders auf. Auf einmal ist er ein vorbildlicher Schüler!

Wie wählten Sie die Schüler für den Rumänienaustausch aus?

Meine Kollegen und ich wählten Jugendliche aus, die offen sind und Mut haben, Menschen aus anderen Ländern kennenzulernen und mit ihnen in Kommunikation zu treten. Es kam jeweils die Hälfte der Schüler aus zwei Klassen mit. Leider gab es auch geeignete Schülerinnen und Schüler, die nicht mitwollten oder durften.

Was war Ihr persönliches Highlight während des Schüleraustauschs?

Die rumänischen und meine Schüler erarbeiteten während des Austauschs gemeinsam mit Studierenden der Hochschule für Musik und Theater München ein Musiktheater. Dieses führten sie zum Abschluss in der Reaktorhalle München auf. Die Vorführung war eines meiner Highlights. Der Auftritt haute mich wirklich von den Socken! Ich musste mir ein Tränchen verdrücken. Es steckt viel Arbeit in der Organisation eines solchen Projekts – in der Antragstellung, der ganzen Organisation und der Durchführung. Aber es lohnt sich!

Der Auftritt haute mich wirklich von den Socken! Ich musste mir ein Tränchen verdrücken.

Waren Sie vorher schon mal in Rumänien?

Nein, nur zur Anbahnungsreise ein Jahr vor dem Schüleraustausch. Ich fand es schön, in ein Land zu kommen, in das ich nicht in den Urlaub gefahren wäre. Es gefiel mir ungemein gut.

Heftig fand ich nur den kulturellen und gesellschaftlichen Unterschied zwischen Stadt und Land. Hermannstadt (Sibiu) war wahnsinnig prunkvoll. Die Stadt erinnerte mich an Wien. Im Dorf Alțâna, wo wir untergebracht waren, war dagegen alles sehr einfach.

Wie sind die Schüler mit den Unterschieden zu Deutschland umgegangen?

Vor der Reise hatte ich Sorge, dass sie sich in Alțâna langweilen würden. Denn dort gab es nur einen Tante-Emma-Laden – sonst nichts. Doch alle waren total begeistert. Für sie war der Aufenthalt ein großes Abenteuer!

Der Horizont unserer Schüler ist nicht besonders groß. Manche fahren in den Sommerferien in ihr Herkunftsland, sonst bleiben sie in München-Neuhausen. Bis auf einen Teilnehmer flogen beim Rumänienaustausch alle zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie störte es überhaupt nicht, dass es in dem Dorf nur schlichte Hütten und keine Straßenbeleuchtung gab. Die meisten meinten, im Großen und Ganzen sei es wie bei uns. Das fand ich nett.

Die Schüler störte es überhaupt nicht, dass es in dem Dorf nur schlichte Hütten und keine Straßenbeleuchtung gab. Für sie war die Reise ein großes Abenteuer!

Wie sah Ihr Programm in Rumänien aus?

Wir wanderten viel. Alțâna lag wirklich überaus schön, umgeben von wunderbarer Natur. Außerdem besuchten wir mehrere Schulen, in denen Deutsch unterrichtet wird. Und die Schüler probten viel an ihrem Musiktheater.

Es ging aber weniger um ein straffes Programm. Wichtiger war es, dass die Jugendlichen aus beiden Ländern Zeit zusammen verbrachten. So lernten sie sich kennen.

Wie funktionierte die Kommunikation zwischen den Schülerinnen und Schülern?

Hauptsächlich über Handyübersetzungen. Ansonsten mit etwas Deutsch, Englisch und der Hilfe des Mitschülers, der Rumänisch konnte. Es geht vielmehr um Selbstvertrauen und den Willen zu kommunizieren, als um Sprachkenntnisse. Wenn zwei Leute sich verständigen wollen, dann funktioniert es immer irgendwie, auch wenn sie nicht die gleiche Sprache sprechen.

Werden Sie den Austausch fortführen?

Ja, wir planen gerade den nächsten Austausch für das Schuljahr 2025/2026. Die Stiftung riet uns dazu, diesen über Erasmus+ fördern zu lassen. Den Antrag für meine Schule habe ich schon geschrieben, jetzt ist die rumänische Partnerschule dran. 

Außerdem bereite ich gerade einen Schüleraustausch mit Tansania und ein Projekt mit mehreren europäischen Partnern und gegenseitigen Besuchen über zwei Jahre vor. Doch da ist noch nichts in trockenen Tüchern.